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FPM-Kommentar Reducing the Noise von Martin Wirth: 3/2023 vom 11.07.2023

 

Es bleibt dabei: Aktieninvestments sollten weiter an erster Stelle stehen

 

  • Trotz schwieriger Rahmenbedingungen: Aktien verzeichneten Kursgewinne
  • Rezession läuft schon seit Quartalen, häppchenweise
  • Die vorsichtige Stimmung reduziert die Risiken
  • Stabile Aktienmärkte sprechen angesichts des Umfelds für tiefe Bewertungen
  • Unterschiedliche Aspekte belegen die Attraktivität der Aktien

 

Das erste Halbjahr 2023 brachte auf Indexebene mehr oder weniger deutliche Kursgewinne, die breit gestreut über fast alle Branchen zu verzeichnen waren. Allerdings war die Streuung in der Performance erheblich. Am ehesten könnte man zum Ergebnis kommen, dass die großkapitalisierten Titel vorne lagen. Allerdings ist diese Aussage zwar einerseits richtig, andererseits wenig erhellend. Aus unserer Sicht kann man am ehesten einen Zusammenhang zwischen dem Überbieten und dem Verfehlen von Erwartungen sehen, wie üblich, allerdings in einem Ausmaß, das deutlich über die Abweichungen von den Erwartungen hinausgeht. Hilfreich und in positiver Hinsicht performanceverstärkend waren niedrige Bewertungen, von denen es nach wie vor auf dem Kurszettel nur so wimmelt.

Trotz schwieriger Rahmenbedingungen: Aktien verzeichneten Kursgewinne

Angesichts der Konjunkturschwäche, die über das erste Halbjahr hinausgehen wird, ist es auf den ersten Blick erstaunlich, dass die stabilen Aktien nicht besser abgeschnitten haben als der breite Markt. Dazu dürften zwei Faktoren im Wesentlichen beigetragen haben: Einerseits die hohen Bewertungen in dieser Gruppe von Aktien, andererseits die weiterhin – trotz der Konjunkturschwäche – auf gestiegenem Niveau stagnierenden Zinsen. Diese sind im Vergleich zu den vergangen zehn Jahren weiter hoch, und in diesem Zeitraum wurden bekanntermaßen die Bewertungen stabiler und qualitativ überdurchschnittlicher Unternehmen durch die Zinsen auf unbekannte Höhen getrieben. Historisch gesehen und vor allem angesichts der Inflationsraten befinden sich die langfristigen Zinsen aber auf einem ziemlich normalen Niveau.

Das gilt mit dem Blick auch nach vorne nicht für die aktuellen Inflationsraten. Diese sind weiterhin deutlich zu hoch um akzeptabel zu sein, und dies bedingt dann auch vergleichsweise hohe kurzfristige Zinsen sowie eine massive inverse Zinsstruktur, dem verlässlichen Vorboten einer Rezession.

Wie soll man mit der Lage umgehen? Alles in Deckung in Erwartung der Rezession, die kurzfristig hohen Zinsen nutzen, stabile Aktien kaufen? Das sehen wir alles weiterhin nicht so.

Die Ursache der Inflation liegt diesmal in der Verknappung der Angebote durch den Ukrainekrieg sowie durch die Pandemie, aber auch in staatlichen Transfers, die oft weit über das erforderliche Maß hinausgingen (hinterher weiß man es halt immer besser). Garniert wurde dies mit einer extrem expansiven Geldpolitik. Gleichzeitig haben Unternehmen wie Private Vorräte zur Sicherheit aufgebaut, die deutlich über den jeweiligen Bedarf hinausgingen. All dies wird zur Zeit wieder auf ein normales Maß zurückgeführt: Transfers werden beendet, das Geld ist immer noch nachfragewirksam, aber in einem abnehmenden Umfang, die Angebotsseite hat sich neu sortiert, so dass die Preise wieder deutlich reduziert wurden, und die Notenbank ist restriktiv geworden.

Rezession läuft schon seit Quartalen, häppchenweise

In unseren Augen ist es so, dass wir eine rollierende Rezession erleben: Einige Branchen sehen, dass ihre Kunden nicht nur die zuvor zu hohen Vorräte reduzieren, sondern sich gleichzeitig auf eine Abschwächung der Endnachfrage einstellen. An erster Stelle betrifft dies Grundstoffindustrien wie die Chemie, die sich seit fast einem Jahr in einer Rezession befindet. Alles, was auch während der Pandemie machbar war, wie z. B. die Renovierung von Wohnungen, normalisiert sich nun. Dagegen erleben Branchen, die während Corona nicht gefragt oder nicht lieferfähig waren, eine sehr solide Nachfrage, wie die nach vielen Dienstleistungen, aber auch (noch) die Autoindustrie. In diesen Branchen dürfte der Nachholeffekt in den nächsten Monaten auslaufen, während sich die Unternehmen, die diese Normalisierung sowie die Antizipation einer Rezession bereits hinter sich haben, wieder stabilisieren sollten.

Gleichzeitig sollten die Inflationsraten deutlich sinken, solange die Notenbanken restriktiv bleiben, was sie aus unserer Sicht sind. Die Auslöser der Inflation haben schon wieder deutlich fallende Preise verzeichnen dürfen. Die hohen Inflationsraten, die heute sichtbar sind, stammen aus den Nachholeffekten, z. B. bei Löhnen, oder eben aus Preiserhöhungen, die auf die Explosion der Grundstoffpreise zurückzuführen sind, aber diesen nicht zugerechnet werden. Beispielhaft sind hier die Gemüsepreise zu nennen, nachdem sich der Anbau von Gemüse in Gewächshäusern angesichts der extrem hohen Gaspreise oft nicht mehr gelohnt hat. Das dürfte sich nun wieder ändern, und das gilt für vieles, was der Kerninflationsrate zugerechnet wird, ebenfalls.

Alles in allem ein sehr solider nominaler Gegenwind, aber gestreckt über einen längeren Zeitraum, bei einer gleichzeitig weiter sehr niedrigen Arbeitslosigkeit. Diese ist zwar ein Nachläufer. Allerdings wurde aufgrund der Knappheit von Arbeit vieles nicht umgesetzt, was nun vielleicht nachholbar ist. Vielleicht sind sogar Handwerker wieder einmal erreichbar.

Die vorsichtige Stimmung reduziert die Risiken

Für den Aktienmarkt bedeutet dies aus unserer Sicht folgendes: Zum einen ist die Rezession seit Quartalen in aller Munde. Mithin wird sie nicht aus heiterem Himmel zuschlagen. Da Unternehmen, aber auch die meisten Investoren in diese Richtung gedacht haben, dürften die unangenehmsten Effekte wie Überproduktion, die mit großen Rabatten verkauft werden muss, Überkapazitäten, die langsam abgebaut werden müssen und über Restrukturierungsmaßnahmen viel Geld kosten, aber auch der Stress auf der Finanzierungsseite eher handhabbar sein als dies in der Vergangenheit üblich war. Einschränkend ist hinzuzufügen, dass die Lage in China sehr undurchsichtig erscheint und hier möglicherweise das größte Problem liegen könnte. Vielleicht aber auch nicht.

Insofern dürfte die Rezession weitgehend eingepreist sein, auch wenn man kurzfristige Volatilität nie ausschließen kann. Die Investoren sind vorsichtig positioniert. Der Bondmarkt ist weiterhin so bewertet, dass Geld verdienen, real gerechnet, praktisch ausgeschlossen ist, wie auch schon in den letzten zehn Jahren. Am Aktienmarkt hingegen bekommt man die Inflation in Form des nominalen Wachstums praktischerweise kompensiert, da letzteres dank der gestiegenen Inflation eben höher ausfällt als in Zeiten einer niedrigen Inflation. Dieser Zusammenhang wird übrigens praktisch nie berücksichtigt, wenn man die Gewinnrenditen von Aktien und die Zinsen von Anleihen miteinander vergleicht: Schlauer wäre es, die realen Zinsen von Anleihen als Maßstab zu nehmen. Was die Gewinnschätzungen der Aktien angeht, dürften diese den schlimmsten Fall sicher noch nicht berücksichtigt haben. Ganz sicher aber ist auch eine halbwegs normale Gewinnsituation vieler Unternehmen nicht eingepreist.

Kurstreibend sind generell gesprochen immer Aspekte, die noch nicht berücksichtigt wurden, da sie nicht bekannt waren. „Schwarze Schwäne“ sind das beste Beispiel dafür. Am Aktienmarkt gehen die negativen Überraschungspotentiale langsam zur Neige, sofern man keine blühende Phantasie hat.  Durch die Pandemie, den Krieg in Europa, die diplomatischen Spannungen mit China und vielen anderen Staaten und zu guter Letzt die Klimakrise sind auf der negativen Seite viele Dinge zu verzeichnen, die der Markt mittlerweile berücksichtigt haben sollte, insbesondere, da sie nicht mehr „new news“ sind. Demzufolge liegt die Bewertung vieler Unternehmen auf einem niedrigen Niveau, das außerhalb von Krisensituationen (die dann aber eben auch überraschend auftraten) selten erreicht wurde. Dies gilt nicht für alle Unternehmen, und Maßstab ist nicht immer der Gewinn, sondern gelegentlich auch die Substanz eines Unternehmens. In Summe sehen wir somit aber, auch und insbesondere angesichts der schleichenden Rezession, den deutschen Aktienmarkt als ziemlich aussichtsreich an, insbesondere im Vergleich zu anderen Anlageklassen.

Stabile Aktienmärkte sprechen angesichts des Umfelds für tiefe Bewertungen

Man sollte sich zudem vor Augen halten, dass auch abseits der großen politischen Bühne die Rahmenbedingungen in den letzten 18 Monaten alles andere als einfach waren. Dass die Konjunktur sich abschwächt und die Wirtschaft sich mehr oder weniger in einer Rezession befindet ist der eine Aspekt. Gleichzeitig fand an den Bondmärkten ein Debakel statt, das fast zu einer Bankenkrise in den USA geführt hätte und die Gewinne einschließlich der Zinsen aus den letzten zehn Jahren vernichtete. An den Immobilienmärkten und auch den vormals noch als sicherer Hafen angesehenen Private Equity-  und Venture Capital-Märkten häufen sich die Einschläge, Finanzierungen stehen immer öfter auf der Kippe. Dies hätte in normalen Zeiten den Marktbeobachter erwarten lassen, dass sich der Aktienmarkt zumindest nicht zwangsläufig in der Nähe des Rekordhochs befindet. Das tut er auch nicht, wenn man die Entwicklung allein auf die Kurse ohne Dividendenzahlungen bezieht, zumindest in Deutschland. Was man aber über den Markt sagen kann: Er ist, gemessen an historischen Erfahrungen, sehr stabil, die Volatilität liegt auf einem sehr niedrigen Niveau. Was für die Belastbarkeit des Kursniveaus spricht, die wiederum auf einer niedrigen Bewertung beruht.

Unterschiedliche Aspekte belegen die Attraktivität der Aktien

Ebenfalls ein Hinweis auf die Attraktivität der Kurse ist die Tatsache, dass die Aktienrückkäufe durch Unternehmen sprunghaft zugenommen haben. Vor nicht allzu langer Zeit wurden Aktienrückkäufe in Deutschland (fälschlicherweise) als Ausweis des unternehmerischen Versagens gewertet. Heute führen unter den DAX-Unternehmen Rückkäufe durch: Allianz, BMW, Commerzbank, Daimler Truck (demnächst), Deutsche Bank, Deutsche Börse, Deutsche Telekom (über die US Tochter), Heidelberg Materials, Mercedes, Münchener Rück. In den Indizes unterhalb des DAX sieht es ähnlich aus. Das sollte nicht nur die Attraktivität der Bewertung untermauern, sondern ist zudem einer der besten Ansätze, Nutzen für die Aktionäre zu schaffen. Das soll hier aus Platzgründen nicht näher ausgeführt werden, es ist aber vielfach belegt und eine mathematische Trivialität, solange die Bewertung eines Unternehmens nicht deutlich zu teuer ist.

Als individuelles Beispiel ausnahmsweise an dieser Stelle die einfache Darstellung der Lage mit Hilfe dreier Charts, die BASF und die chemische Industrie betreffend. Tiefstände in jeder Hinsicht. Und die Basis, auf der in der Vergangenheit erhebliche Kursgewinne erzielt werden konnten. Disclaimer: Wir haben keine BASF Aktien, aber das ist etwas, was sich schnell ändern kann.

Und wie man sehen kann: Trotz der Tiefstände im ifo-Indikator gab es keine neuen Tiefstände des Aktienkurses der BASF sowie der Bewertung, gemessen am Buchwert. Was bedeuten könnte, dass die schlechten Nachrichten in den Kursen mehr oder weniger verarbeitet wären.

Was am Aktienmarkt möglich ist, soll abschließend anhand der Bewertung von Immobilien gezeigt werden. Während in der „realen“ Welt Immobilien mit einem Abschlag gegenüber den Spitzenpreisen von vielleicht 10-15% gehandelt werden, sind Immobilienaktien 60-80%, teilweise noch mehr abgestürzt. Lässt man die Fälle außen vor, in denen sich ein Unternehmen verzockt hat, bedeutet dies unter Berücksichtigung der Verschuldung der Unternehmen, dass die Bewertungen um 30-35% gesunken sind. Das liegt nicht daran, dass die Aktien zuvor absurd überbewertet waren, ganz im Gegenteil: Heute wie vor ein bis zwei Jahren liegen die Bewertungen börsennotierter Immobiliengesellschaften weit unter den Wiederherstellungskosten der Immobilien, unter Berücksichtigung der Abnutzung. Rechnet man die Bewertung der Immobilien auf den Quadratmeter um, liegen die Abschläge der „börsennotierten“ Immobilien gegenüber den Preisen, die für die Immobilien selbst gezahlt werden, bei 25% und mehr. Woran liegt dieser Unterschied? Maßstab für die Bewertung nicht „börsennotierter“ Immobilien, also in erster Linie die von Privaten, Genossenschaften und der öffentlichen Hand gehaltenen Immobilien, sind die Zinsen. Maßstab für die mehr oder weniger identischen Immobilien, die börsennotierten AG´s gehören, sind die Bewertungen anderer börsennotierten Gesellschaften. Und die sind eben deutlich niedriger bewertet als Anleihen, oder anders formuliert: Die Renditen ihrer Aktien liegen erheblich höher als diejenigen von Anleihen. Auch hier wird wieder einmal die Diskrepanz in den Bewertungen von Aktien und Anleihen deutlich.

In Summe bleibt es dabei: Wer regulatorisch oder aufgrund kurzfristiger Zahlungsverpflichtungen nicht in seiner Anlage gebunden ist, für den sollten Aktieninvestments weiter an erster Stelle stehen.

Ihr Martin Wirth

 

Ältere Kommentare

FPM-Kommentar Reducing the Noise von Martin Wirth: 2/2023 vom 19.04.2023

 

Wohin geht die Reise, wenn Knappheiten und Krisen überwunden sind?

 

  • Mit Aktien der Inflation getrotzt
  • Unsere Gedanken zu Inflation, Zinsen und Bewertungen
  • Blick nach Amerika
  • Im Fokus der Negativszenarien: Die Banken
  • Europäische Banken besser als ihr Ruf!
  • Was bietet der Markt mithin an?

Im ersten Quartal 2023 konnten die Vorjahresverluste am deutschen Aktienmarkt teilweise kompensiert werden. Dabei taten sich die großkapitalisierten Aktien leichter als die kleinen und mittleren Werte, die höhere Verluste aufzuholen hatten. Generell jedoch war die Entwicklung angesichts der Nachrichtenlage auf den ersten Blick nicht zwingend.

Der Krieg in der Ukraine geht weiter, geopolitische Unsicherheiten haben nicht abgenommen, die Inflation scheint aus dem Ruder zu laufen, und gleichzeitig zeigen sich immer mehr konjunkturelle Schwächesignale, vorneweg in den USA. Dementsprechend sind viele Sentiment-Indikatoren auf niedrigen Niveaus, die Entwicklung ging also ohne große Begeisterung der Marktteilnehmer vonstatten.

 

Mit Aktien der Inflation getrotzt

Auf der anderen Seite, und das war aus unserer Sicht als Value-Investoren die entscheidende Größe: Aktien sind generell so niedrig bewertet wie seit langer Zeit nicht – nicht alle, aber sehr viele. Und während die Unternehmen in der großen Breite in der Lage waren, die Kostensteigerungen an die Kunden weiter zu reichen und somit den realen Schaden aus der gestiegenen Inflation im Rahmen zu halten, war dies mit Nominalanlagen wie auch mit Investments in Immobilien nicht möglich. Angesichts der Rahmenbedingungen ist es kein Wunder, dass der Enthusiasmus nicht überschäumt, ganz im Gegenteil. Allerdings kann man sich auch fragen, wann man denn überhaupt investieren will: Man kann serienweise Unternehmen mit einem mehr oder weniger deutlichen Abschlag auf den Substanzwert kaufen, selbst wenn man nicht an die Nachhaltigkeit der aktuellen Gewinne glauben mag.

Bei letzterem stimmen wir durchaus zu. Die Knappheiten, die durch die Corona- und später durch die Energiekrise entstanden sind, sind erfreulicherweise endlich. Insofern werden Überrenditen wieder verschwinden, angefangen von den Frachtraten, den Energiepreisen bis hin zu den Autopreisen und ähnlichem. Nur: Wer hat denn geglaubt, dass dies ewig weitergehen kann? Selbst wenn die Gewinnschätzungen noch von einer Fortschreibung ausgegangen sind, konnte man an den Bewertungen der Unternehmen ja ablesen, dass diesem Braten niemand so richtig getraut hat.

Die spannende Frage ist nun, ob sich der Fokus wieder auf die Unternehmen mit einer stabilen, eher konjunkturunabhängigen Geschäftsent-wicklung richtet, die aber weiter immer noch eher voll bezahlt sind, oder ob man Abstriche an der Geschäftsqualität in Kauf nimmt und auf die große Schnäppchenjagd geht. Da der Markt offen-sichtlich lieber auf den Trend der Gewinne schaut als auf das, was man dafür bezahlen muss, könnte man zur ersten These neigen. Allerdings ist dieser Marktbereich mittlerweile deutlich kleiner als in den vergangenen Jahren, nachdem insbesondere einige ehemalige Highflyer massiv abgestraft wurden. Insofern stellt sich der Unterschied heute etwas anders dar als dies noch in den letzten Jahren der Fall war. Favoriten könnten eher die als langweilig angesehenen, vernünftig bewerteten Unternehmen sein, die keine große Phantasie erwecken, die aber auch nicht substantiell unterbewertet und im besten Fall frei von Skandalen sind. Und auf der anderen Seite ebenfalls solide Unternehmen, bei denen aber die Ertragskraft innerhalb weniger Quartale deutlich schwanken kann und für die Investoren unter diesen Umständen Kursverluste befürchten. Kurz gesagt: Am Aktienmarkt sind 1+1+1 mehr wert als 2+0+2. Das bedeutet: Investoren verzichten lieber auf Erträge, wenn sie dafür ihre Ruhe haben.

Unsere Investments decken beide diese Lager ab, mit einem Bias zu den niedrigen Bewertungen. Hingegen sind wir weiter in der Topqualität (zumindest als solche wahrgenommenen Unternehmen) aus Bewertungsgründen nicht investiert.

Unsere Gedanken zu Inflation, Zinsen und Bewertungen

Was treibt uns dazu? Neben dem Blick auf die nachhaltige Ergebnisstärke eines Unternehmens, die eben gerade nicht durch die kurzfristig mehr oder weniger schwankenden Quartalsergebnisse abgebildet wird, kann man nicht den Einfluss der sich permanent ändernden Rahmenbedingungen vernachlässigen. Diese Schwankungen haben seit der Coronakrise vorher lange nicht gekannte Dimensionen erreicht. Daher haben sie auch einen Einfluss auf unsere Investitionsentscheidungen, und daher nun unsere Sicht der Dinge (die man teilen kann oder auch nicht).

Zum einen die Inflation: Es ist in unseren Augen offensichtlich, dass der Gipfel deutlich überschritten ist, die Inflation sich auf dem Rückzug befindet, und dass diese Entwicklungen über die gesamte Wertschöpfungskette ablaufen wird. Die Nachzügler sind die Tarifverhandlungen, die letzten Endes die Unternehmen Geld kosten werden, was offensichtlich in den impliziten Erwartungen der Märkte bereits berücksichtigt wird. Nach dem Überrollen der Inflationsraten werden sie im Laufe dieses Jahres und des nächsten vermutlich deutlich sinken. Allerdings kann niemand ernsthaft behaupten, dass sich ein vergleichsweise enger Korridor wie gefühlt in den letzten Jahren ergeben wird. Und es ist mehr als wahrscheinlich, dass die Inflationsraten länger in einem Bereich liegen werden, der für die Notenbanken zu hoch ist, zumindest, wenn man ihren Aussagen folgen will.

Das hat Auswirkungen auf die Bewertung von Unternehmen, die von der Zinshöhe abhängig sind, vorneweg Immobilienunternehmen im negativen, Banken und Versicherungen im positiven Sinne. Sowie für Unternehmen, bei denen bspw. Pensionsrückstellungen in den letzten Jahren aufgebläht wurden. Hier sollte man nicht davon ausgehen, dass die alten Zinsniveaus wieder erreicht werden, insbesondere nicht nach den unerfreulichen Erfahrungen hinsichtlich der Verteilungswirkung der Inflation, die man zwar in jedem Lehrbuch Grundstudium Volkswirtschafts-lehre nachlesen kann, die aber an den entscheidenden Stellen offensichtlich als Lektüre doch nicht so richtig geschätzt wurden.

Dies wird also für die nächsten Quartale zu einer zunehmend restriktiven Geldpolitik führen, nachdem der angerichtete Schaden kompensiert werden muss. Allerdings, da befinden wir uns vermutlich im Mehrheitslager, wird die Geldpolitik sobald wie möglich wieder eher lockerer werden, wenn auch nicht in dem Maße wie die letzten Jahre und nicht vor dem nächsten Jahr.

Bis dahin wird neben der sowieso laufenden Konjunkturabschwächung das Abklingen des Nach-Corona-Booms sowie das Zurückgehen der Knappheitspreise Gegenwind für die Unternehmen bedeuten. In Europa ist wenigstens durch das Ausbleiben des Armageddon der Energiekrise ein leichter zusätzlicher Rückenwind entstanden, der vielleicht hilft, die Rezession zu vermeiden. Die Verwerfungen wurden bereits teilweise im letzten Jahr getragen, ablesbar an der Vollbremsung in der chemischen Industrie, so dass die Fallhöhe deutlich reduziert wurde. Und das, womit damals kalkuliert wurde, hat sich aus heutiger Sicht als viel zu pessimistisch herausgestellt. Die gestiegenen Gaspreise etwa kosten Deutschland im Vergleich zu den Tiefstständen vor ein paar Jahren weniger als 0,5 % des Volkseinkommens, was so wenig ist, dass sich die Politik noch nicht einmal ernsthaft mit den deutschen Erdgas-reserven beschäftigt, die bis zu einer endgültigen Energiewende den Großteil des deutschen Gasbedarfs decken würden.

Blick nach Amerika

Stattdessen sieht es in den USA diesmal weniger erfreulich aus. Auch das ist eher eine Ernüchte-rung, die auf eine exzessive Geldpolitik sowie das Ausgeben von Helikoptergeld an die Bürger eben folgt. Auch in den USA werden die Weisheiten der Volkswirtschaftslehre nur dann gerne befolgt, wenn sie politisch vermittelbar sind, sprich: den Bürger erfreuen. Und irgendwann kommt dies an ein Ende. Aber auch hier ist es relativ simpel: Sind die Exzesse abgebaut, geht es weiter. Und die Exzesse waren diesmal im Vergleich zu den Zeiten der Finanzkrise sehr überschaubar: Nur ein paar Prozent des Volkseinkommens verschenkt, statt mehrere Jahre umverteilt wie vor der Häuser- und Bankenkrise. Insofern dürfte auch hier die Welt in einem Jahr wieder „normaler“ aussehen: Personal ist leichter zu finden, die Wirtschaft wird sich an die nominal höheren Zinsen gewöhnen, die real gar nicht hoch sind, und die Unternehmen werden sich auf die geänderten Rahmenbedingungen in ihren Märkten angepasst haben. Wer immer noch nicht glauben mag, dass das in einem überschaubaren Zeitraum möglich ist, der hat aus den Extremstbedingungen der letzten Jahre gar keine Schlüsse gezogen.

Im Fokus der Negativszenarien: Die Banken

Wenn das alles plausibel erscheint, was es eben nach den Erfahrungen der letzten Jahrzehnte tun sollte, bleibt immer noch ein Joker für die Bären (neben Krieg, Geokrise, Klimawandel, Kometeneinschlag):

Kandidaten für ein neues Armageddon sind wieder einmal die Banken. Dazu ist ohne die letzte Garantie zu geben folgendes zu sagen: Der Vergleich mit der Finanzkrise 2008 ist vollkommen absurd, und dies vor allem für europäische Banken. (Manche) Banken leiden unter der fehlenden Bereitschaft, sich auf die geänderten Rahmenbedingungen einzustellen und waren letzten Endes schlecht geführt. Je eher dies eine Bank an den Rand des Ruins geführt hat, desto besser im Nachhinein. Die UBS ab 2008 oder die Deutsche Bank ab 2017 sind nur Beispiele dafür, dass Geschäftsmodelle umgebaut wurden, wenn es nicht mehr weiterging und die Verwahrlosung der Geschäftspraktiken nicht mehr toleriert wurde. Den Letzten beißen die Hunde, und in diesem Fall war es die Credit Suisse, die es immerhin geschafft hat, als eine solvente Bank mit schwachen Erträgen, aber ohne riesige operative Verluste in kürzester Zeit in den Ruin zu rutschen. Ursache: Vollkommener Vertrauensverlust. Wenn VW keinen Stahl mehr geliefert bekommt oder Aldi keine Lebensmittel, dann gehen auch diese Unternehmen unter. Nur, dass sich dort das Vertrauen nicht in kürzester Zeit in Luft auflöst. Eine grandiose Lehre für alle anderen Marktteilnehmer. Und Pech für die Credit Suisse, die zuvor noch eher der Einäugige unter den Blinden war. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben (Gorbatschow).

Über die US-Bankenkrise nur folgendes: Was dort von manchen Banken, die aus unklaren Gründen nicht mehr einer ordentlichen Regulierung unterliegen, als Geschäft gehandhabt wurde, ist gemäß Grundlagen der Bankbetriebslehre Teil 1 so nicht vorgesehen: Kurze Einlagen in lange Staatsanleihen zu investieren und hoffen, dass die unterschiedlichen Renditen den großen Erfolg bringen. Bis zur nächsten Inversion der Zinsstrukturkurve. Einmal eine gute Nachricht: In Europa ist das auf dieser Ebene nicht mehr vorstellbar.

Was vorstellbar bzw. sogar ein Fakt ist: Dass Investoren in Staatsanleihen im letzten Jahr viel Geld verloren haben. Der Betrag, der auf den Bankbilanzen in der Spitze als Last lag, betrug mehr als 600 Mrd. €. Viel Geld, aber eben nur ein Bruchteil des Eigenkapitals. Mittlerweile als Last wieder deutlich gesunken, vor allem in den USA bzw. dem US-Dollar. Das hat die Einleger nicht davon abgehalten, ihr Geld, im wesentlichen ungesicherte Einlagen, von der Silicon Valley Bank abzuziehen, da Nutzen und Ertrag des Haltens von Einlagen bei einer insolvenzgefährdeten Bank vollkommen asymetrisch verteilt sind: Es gibt keinen Zusatznutzen im Vergleich zu einem Konto, das bei einer stabilen Bank geführt wird. Im Fall anderer Banken waren diese Lasten aus dem Zinsanstieg deutlich geringer, oder wurden fristengerecht refinanziert. Insofern ist das zum einen ein Einzelproblem. Zum anderen aber, was viel relevanter ist: Dies hat überhaupt und in keiner Form irgendetwas zu tun mit einer Finanzkrise wie 2008. Es ist vielmehr eine weitere Folge der verfehlten Notenbankpolitik der letzten Jahre, allerdings eine Folge, die nicht in der Insolvenz mündet, sondern im Wesentlichen einige Banken einen Teil der Erträge kosten könnte – beziehungsweise schon gekostet hat.

Europäische Banken besser als ihr Ruf!

Aus unserer Sicht ist die Lage eigentlich das genaue Gegenteil von dem, was in den Medien serviert wird: Dank des seit Jahren andauernden Drucks durch die Regulierung, Zusatzabgaben und Niedrigzinsen werden Banken als notorisch ertragsschwach wahrgenommen. In vielerlei Hinsicht sind wir hier an einem Wendepunkt angekommen und haben diesen wahrscheinlich bereits überschritten. Grob skizziert: Die Regulierung wird offensichtlich nicht mehr wesentlich verschärft, die Bankabgaben (in Deutschland unsinnigerweise noch nicht einmal abzugsfähig bei der Steuer) werden sinken, und vor allem wird durch die Normalisierung der Zinsen das ganz normale Bankgeschäft wieder profitabel, auf der Einlagen- wie auf der Aktivseite. Anders als 2008 ist es offensichtlich, dass die Banken eine Ahnung haben, was sie auf der Bilanz haben, und dies auch dokumentieren. Im Gegensatz zu ihren angeblichen Beobachtern, die wild über Risiken herumfabulieren, ohne auch nur einmal simple Fakten zur Kenntnis zu nehmen. Ereignisse wie der Untergang der Credit Suisse belasten fraglos das Sentiment und die Bereitschaft, in den Sektor zu investieren. Sicher dürfte aber auch sein, dass andere Banken von diesem Auflösen profitieren werden. Der Untergang der Credit Suisse war letzten Endes Resultat einer Dekade, in der die Bank nichts verdient hat, im Gegensatz zu ihren Mitarbeitern. Wenn dies als Blaupause dazu dient, wie man es nicht machen soll, dann hat dies auch etwas Gutes. Konsolidierung hat noch keiner Industrie geschadet, und das wird hier nicht anders sein.

Was bietet der Markt mithin an?

Kurzfristige Unsicherheit, hohe, aber sinkende Inflationsraten, eine sich abschwächende Konjunktur mit dem Potential einer Rezession, zumindest in Teilen der Wirtschaft, sind der Rahmen für die nächsten Monate. Gleichzeitig sind Sentiment und Bewertungen dort, wo man sie in einer Rezession vermuten könnte, im Gegensatz zu den noch aktuellen Gewinnerwartungen.

Aktien auch grundsolider Unternehmen werden heute in vielen Fällen mit deutlichen Abschlägen auf ihre Substanz gehandelt, insofern eben die Rezession eingepreist und die dann zu erwartende Ertragskraft als dauerhaft angesehen. Gleichzeitig liegen die Dividendenrenditen auf Rekordständen. Was für viele Investoren immer noch kein Grund sein muss; bekanntermaßen kann man Dividenden ja auch kürzen oder streichen. Relevanter ist dagegen, dass etwa Kennzahlen wie die Dividendenrenditen in Relation zum KGV auf Niveaus liegen, die nur in der Weltfinanzkrise sowie der Coronakrise überboten wurden.

Immer mehr Unternehmen beginnen aufgrund der nachhaltig niedrigen Bewertung mit Aktienrückkäufen, die in den letzten Jahren oft als Bankrott unternehmerischer Ideengenerierung angesehen wurden. Insofern gibt es offensichtlich einen Punkt, an dem man dann doch nicht widerstehen kann. Rechnerisch ist dies alles nämlich recht einfach nachzuvollziehen.

Ohne in Details zu gehen: Viele Unternehmen weisen nach unterschiedlichsten Kriterien Bewertungen auf, die vollkommen andere und zwar schlechtere Rahmenbedingungen einpreisen als sie aus heutiger Sicht wahrscheinlich sind, selbst wenn man die aktuellen Gewinn-schätzungen nicht als eine nachhaltige Basis ansehen will. Die Ursache dafür ist aus unserer Sicht, dass in den letzten Jahren bereits viele Investoren schlicht vor der Volatilität der Aktienmärkte kapituliert und sich lieber auf nominal stabile Investments zurückgezogen haben. Zusätzliche Regulierung, aber auch das Handeln nach mehr oder weniger trivialen Algorithmen statt eines möglichst umfassenden Verständnisses der Komplexität der Wirtschaft dürften die Volatilität noch verstärkt haben.

Dass Private Equity Investoren für die gleichen Investments doppelt so hohe Bewertungen bezahlen wie sie am Aktienmarkt eingefordert werden ist letzten Endes nur dann sinnvoll, wenn sie das Kapital wesentlich billiger beschaffen können als dies am Aktienmarkt der Fall ist. Solange die Zinsen niedrig waren, konnten diese Investments bei den Endinvestoren im Bereich der volatilitätsfreien Investments einsortiert werden, was dann auch der Risikobewertung dienlich war. Reine Buchhaltung, die nichts mit der ökonomischen Realität zu tun hat. Ähnlich lief dies mit Anleihen und vor allem mit Immobilien. Auch hier sieht man die Unterschiede zwischen den fungiblen (Aktienmarkt) und nicht fungiblen Märkten: Während Transaktionen mit realen Immobilien zu deutlichen, aber nachvollziehbaren Abschlägen (10 - 15 % werden regelmäßig genannt) auf die ehemaligen Höchstpreise von statten gehen, wurden die Immobilienaktien regelrecht geschlachtet. Kursverluste von mehr als 70 %, die einen Abschlag auf die schuldenfrei berechneten Immobilien von 40 % darstellen würden, bei gleichzeitig steigenden Bau- und Wiederbeschaffungskosten: das ist weitgehend sinnbefreit. Und von den vielen praktisch umsatzlosen, aber im Milliardenbereich bewerteten „Einhörner“ einmal gar nicht zu reden: Die tollen Renditen haben dann doch oft nur auf dem Papier gestanden, aber vermutlich ordentlich testiert. Auch hier haben sich die Dinge offensichtlich geändert.

Die Zinswende dürfte eingeschlagen haben wie der Fuchs im Hühnerstall. Offensichtlich ist es nicht nur die allgemein bescheidene Stimmungslage, die Investoren zu schaffen macht. Die Zinswende ist dem Vernehmen nach auch ein Thema, das die Solvenz vieler Investoren beschädigt hat. Insofern ist es klar, dass die Risikobereitschaft erst einmal reduziert ist. Und dies sehen wir, anders als die Rezessions-befürchtungen, als den Hauptgrund für die bescheidenen Bewertungen und aus unserer Sicht offensichtlichen großen Investmentchancen.

Was in diesem Licht positiv erscheint ist die Tatsache, dass viele Unternehmen, die zwar nicht zu den Lieblingen der Investorengemeinde in den letzten Jahren gehörten, sich in diesem schwierigen Umfeld stabil bis ordentlich entwickelt haben. Aktienrückkäufe wurden ja bereits genannt, aber offensichtlich gibt es eben auch Bewertungslevel, bei denen man sich, Zins hin, Rezession her, nicht mehr von Investments trennen will. Und lieber wartet, bis sich der Rauch verzogen hat. Falls es Rücksetzer gibt, kommen, solange die Bewertungen zuvor nicht überzogen waren, zügig Käufer aus der Deckung. Insofern spricht aus unserer Sicht viel dafür, dass wir uns bei vielen Aktien irgendwo im Bereich des Tiefstands befinden. Und dass diese Aktien ihre Performance dann machen werden, wenn sich die Dinge so entwickeln, wie sie das immer tun: Langsam vorwärts.

Ihr Martin Wirth

FPM-Kommentar Reducing the Noise von Martin Wirth: 1/2023 vom 19.01.2023

 

Das Jahr 2022 abhaken und Blick nach vorn richten!

 

  • Blick zurück auf den Markt und auf die FPM Funds
  • Was zählt nun für den Blick nach vorne?
  • Viele Unternehmen gut gewappnet
  • Krisen und deren Auswirkungen auf Kurse und Bewertung
  • Wettbewerbsfähigkeit und das gebannte Risiko einer unzureichenden Energieversorgung
  • Positiver Ausblick – trotz allem

Das Jahr 2022 ist Geschichte, und die große Mehrheit der Marktteilnehmer dürfte darüber froh sein. Mit den meisten Assetklassen hatte man beste Chancen, Geld zu verlieren. Allerdings waren die Unterschiede in der Performanceentwicklung massiv, mit der Folge, dass viele eher überschaubare Kursrückgänge wahrscheinlich nur temporär sein dürften, während manche Investments permanente Verluste beschert haben dürften. Das macht den Unterschied auf längere Sicht: Ist man noch im Spiel, oder wurde man ausgeknockt?

Blick zurück auf den Markt …

Am deutschen Aktienmarkt waren die wenigen Gewinner die Unternehmen, die vom Kriegsausbruch geschäftlich profitieren konnten und zuvor eine niedrige Bewertung hatten, sowie die Unternehmen, die von steigenden Zinsen profitierten, vorneweg natürlich Banken und Versicherungen.

Das Gros der Aktien verzeichnete spürbare zweistellige Verluste, selbst wenn die Entwicklung des eigentlichen Geschäfts solide war. Schwer traf es dagegen die vormaligen Highflyer, insbesondere aus dem Wachstumsbereich, vor allem dann, wenn hohe Bewertungen auf schwächer als erwartete Geschäftsentwicklungen trafen: Dann konnte man auch einen Kursverlust von 50 bis 90 % erleben, teilweise ohne dass das Geschäftsmodell eines Unternehmens grundsätzlich wesentlich beeinträchtigt war. Hier zeigte sich in voller Schönheit der Effekt des Value-Investings: Nichts ist so großartig, als dass man jeden Preis dafür zahlen sollte. Allerdings sehen wir mittlerweile auch wieder größere Chancen in diesem Bereich, um dies vorwegzunehmen.

… und auf die FPM Funds

Im letzten Jahr verzeichneten die FPM Funds Verluste, die sich im Rahmen der unterschiedlichen Indizes bewegten. Die Bandbreite der Performance der Investments war erheblich, von signifikanten Gewinnen hin zu deutlichen Verlusten. Weiterhin machte den Fonds, unter relativen Gesichtspunkten, die vergleichsweise gute Performance stabiler Aktien zu schaffen, auf die wir seit Jahren angesichts der hohen Bewertung verzichten. Schlecht war auch die Performance einer Reihe von Nebenwerten, deren Geschäftsentwicklung zwar ordentlich verlief, die aber in unseren Augen von vielen Marktteilnehmern zur Risikoreduktion verkauft wurden, meistens auch nur deshalb, weil es Nebenwerte waren. Relativ gesehen war es dagegen sehr hilfreich, dass die ehemals teuren Wachstumswerte und die Profiteure tiefer Zinsen wie vor allem Immobilienunternehmen nur in einem unterdurchschnittlichen Rahmen im Portfolio vertreten waren: Dort waren die Verluste teilweise sehr heftig. In Summe: Die Kurse gingen zurück, die Bewertung ebenfalls, so dass die Portfolios heute noch attraktiver bewertet sind als vor einem Jahr.

The big picture: Einordnung in den Gesamtzusammenhang

Schaut man auf die Rahmenbedingungen, so sind die Verluste am deutschen Aktienmarkt sogar noch fast erträglich. In der Vergangenheit haben weit geringere Probleme deutlich höhere Kursverluste verursacht, und wie gesagt: Eine ganze Reihe nicht gerade kleiner Unternehmen hat sogar Kursgewinne verzeichnen können. Das spricht in unseren Augen eindeutig für eine nachhaltige tiefe Bewertung der Assetklasse „Deutsche Aktien“, die im letzten Jahr von vielen Investoren offensichtlich endgültig, d. h. bis zur nächsten starken Performance des Marktes, aufgegeben worden ist.

Unter den Widrigkeiten zu nennen sind an erster Stelle der Krieg in der Ukraine, danach das ganze Konglomerat steigender Energie- und Nahrungsmittelpreise, in die Höhe schießende Inflationszahlen, Notenbanken, die ihre Nullzinspolitik über Bord warfen, und natürlich weiterhin Corona-Einschränkungen, vor allem in China, die globalen Wertschöpfungsketten beeinträchtigend, sowie geopolitische Spannungen an allen Orten. Das sollte eigentlich für eine veritable Krise ausreichen, und dies war dann auch der Fall: Allerdings nicht so sehr am Aktienmarkt, wo man sich in den letzten beiden Jahrzehnten an Verwerfungen gewöhnen konnte, sondern an den Bondmärkten, wo man sich sonst immer auch in den dunkelsten Stunden wohl fühlen konnte und wo zur Not die Notenbanken ausgeholfen haben. Am deutschen Bondmarkt sind die Gewinne fast der letzten zehn Jahre innerhalb von wenigen Monaten in Rauch aufgegangen. Als Ergebnis wird nun mitnichten eine attraktive Verzinsung geboten, wie dies nach Kurseinbrüchen eigentlich der Fall sein sollte: Die Zinsen liegen weiterhin mehr oder weniger deutlich unter den aktuellen und erwarteten Inflationsraten. Realverluste sind somit auch für die nächsten Jahre fast garantiert.

Was zählt nun für den Blick nach vorne?

In einer extrem schwierigen Lage haben sich Deutschland und Europa bisher weit besser als befürchtet aus der Affäre gezogen. Die konsequente Haltung gegen Russland und die Unterstützung der Ukraine sowie der Zusammenhalt in der Nato mit den USA sind eine bemerkenswerte politische Entwicklung, die vor einem Jahr nicht zwangsläufig zu erwarten war. Die damit verbundene Einstellung der Lieferung von russischem Gas konnte auch auf die kurze Frist weitgehend kompensiert werden, mit dem Einspringen des Staats zur Kompensation kurzfristiger Härten. Aus einem heraufziehenden Albtraum wurde die Chance zu einer Dynamisierung der Energiewende, vielleicht zum Abbau der wuchernden Bürokratie und dem Fokus auf das Wesentliche, was in den Unternehmen vielleicht noch schneller begriffen wurde als von vielen in Politik und Verwaltung.

Viele Unternehmen gut gewappnet

Die von allen Seiten befürchtete heraufziehende Rezession wurde seit mindestens sechs Monaten erwartet, Maßnahmen getroffen, Läger abgebaut, weniger Risiken eingegangen. Das dürfte die Rezession, wenn sie denn kommen sollte, spürbar bremsen: Eine Rezession ist immer dann am unangenehmsten, wenn sie niemand hat kommen sehen und keine Vorbereitungen getroffen wurden. Negativ zu sehen ist andererseits, dass viele Unternehmen noch von den während der Coronapandemie aufgelaufenen Auftragsbeständen profitieren, die nun allmählich auslaufen. Die steigenden Zinsen werden ebenfalls ihren Tribut bei den Schuldnern fordern, und zwar oft erst nach und nach mit dem Auslaufen tief verzinster Kredite. Dagegen stehen einerseits die Gläubiger als Gewinner dieser Entwicklung (nominal, nicht real, siehe oben) und die Tatsache, dass die Zinsen längerfristig gesehen weiter noch nicht hoch sind: Unternehmen, die unter den gegenwärtigen Umständen schon Probleme haben, sollten vielleicht ihr Geschäftsmodell grundsätzlich überdenken.

Inflation und die Rolle Chinas

Zwei wesentliche positive Aspekte aus Sicht der Aktienmärkte sind die Inflationsaussichten sowie die Aufhebung der Coronamaßnahmen in China. Die Inflationsdynamik weist steil nach unten, die Preisblasen des letzten Jahres sind weitgehend verschwunden. Gas in Europa kostet ungefähr so viel wie vor dem Ukrainekrieg, Ölpreise, Transport- und Logistikkosten, Gebrauchtwagenpreise sind allesamt im Rückwärtsgang. Mit dem Ende der chaotischen Lockdowns in China werden sich die Beschaffungsketten weiter normalisieren und Knappheiten beseitigt oder reduziert werden. Das dürfte auf die Zinserwartungen drücken, was wiederum gut für die Aktien ist. In China wird sich wahrscheinlich das Wachstum wieder beschleunigen, was ebenfalls das globale Wachstum unterstützen wird.

Krisen und deren Auswirkungen auf Kurse und Bewertung

Wie alle anderen wissen wir nicht, wie sich die nächsten Quartale gestalten werden. Was wir wissen ist, dass sehr viele Aktien trotz der jüngsten Kurserholung unter halbwegs normalen Umständen weiterhin ziemlich niedrig bewertet sind. Somit dürfte die Rezession, sollte sie denn kommen, bereits zu einem großen Teil in den Kursen abgebildet sein, eine Erholung jedoch nicht. Dafür spricht, wie bereits erwähnt, die Tatsache, dass sich die deutschen und europäischen Aktien trotz der extrem schwierigen Rahmenbedingungen halbwegs ordentlich geschlagen haben und erstmals seit mehr als einer Dekade US-Aktien outperformed haben. Kein Vergleich mit den Verlusten beispielsweise der Dot.com-Krise vor 20 Jahren, die aus ökonomischer Sicht eigentlich ein Non-Event war, oder der Banken- und europäischen Staatsschuldenkrisen, die durch simples „Gelddrucken“ zu lösen waren. Heute wie auch in der Coronakrise sind und waren die tatsächlichen und die befürchteten Probleme existentieller. Und das hat sich eben auch in der Bewertung niedergeschlagen: Der Kurs-DAX, also der DAX, der vergleichbar mit dem S&P-Index berechnet wird, nämlich ohne die Dividendenzahlungen, hat gerade erst das Hoch von 2000 übertroffen. Das deutsche Volkseinkommen hat sich seit damals fast verdoppelt, und die Tatsache, dass deutsche Unternehmen heute viel internationaler sind als damals und vom höheren globalen Wachstum profitieren konnten, ist ebenfalls an der Kursentwicklung nicht abzulesen.

Die Dividenden befinden sich auf Rekordständen, die Dividendenrenditen ebenfalls, und hier kürzen Unternehmen eher ungern, solange sie es nicht unbedingt müssen. Viele Aktien, auch mit sehr soliden Geschäftsmodellen, handeln mit einem Discount zum Buchwert, was früher eher Unternehmen vorbehalten war, die Verluste verzeichneten. Die Tatsache, dass mit einer höheren Inflation zu rechnen ist als in den letzten zehn Jahren, spricht ebenfalls für Aktien: Unternehmen sind diejenigen, die die Preise erhöhen können. Insofern ist nominales Wachstum für mehr Unternehmen erreichbar als dies in den letzten zehn Jahren der Fall war, was wiederum für „Value-Aktien“ spricht. Die Knappheitsprämien für Aktien, die in einem Umfeld mit einer sehr niedrigen Inflation Wachstum erzielen können, sollten damit sinken, was diese Aktien angesichts der immer noch hohen Bewertungsprämie weniger attraktiv erscheinen lässt, nachdem, wie bereits erwähnt, die Gewinner tiefer Zinsen wie Immobilien- oder Wachstumsunternehmen bereits spürbare Verluste eingefahren haben. Sozusagen sind die stabilen Wachstumswerte „the last shoe to drop“.

Wettbewerbsfähigkeit von Deutschland und das gebannte Risiko einer unzureichenden Energieversorgung

Die größte Bedrohung für die deutschen Unternehmen in den letzten Jahren war die Gefahr einer unzureichenden Energieversorgung. Dieses Problem ist auf Sicht von zwei bis drei Jahren sowieso und auf Sicht dieses und des nächsten Winters aller Voraussicht nach ebenfalls gelöst. Die Wahrnehmung von Europa und von Deutschland, insbesondere aus dem Rest der Welt, ist aus unserer Sicht viel zu negativ, auch wenn man damit nicht gleich alle Probleme kleinreden sollte. Deutschlands Erfolg und Wohlstand sind mitnichten – anders als dies häufig genannt wird – im Wesentlichen von billigen Energieimporten abhängig. Und der von global tätigen Unternehmen gleich gar nicht. Energie ist in den entwickelten Volkswirtschaften sehr billig, vor allem in den USA, wo der spezifische Verbrauch dementsprechend höher ist, weil Energieeinsparungen eben einen geringeren Nutzen bringen. Jetzt kann man sich einmal fragen, welche von den amerikanischen Megacaps ihren Erfolg der billigen Energie verdanken. Energie wird lokal verarbeitet und konsumiert, entweder direkt oder in vielen Produkten. Die Zahl der Endprodukte, die mit einem hohen wertmäßigen Energiegehalt durch die Welt transportiert werden, ist sehr überschaubar. Insofern betrifft dies alles nur in einem überschaubaren Rahmen die externe Wettbewerbsfähigkeit von Deutschland.

Positiver Ausblick – trotz allem

Wen es betreffen wird: Das sind die Verbraucher. Das ist ärgerlich, aber es geht hier um eine Größenordnung der Verteuerung der Energieimporte, die letztendlich vielleicht 40 bis 60 Milliarden Euro für Deutschland betragen dürfte. Das sind 1 bis 1,5 % des Volkseinkommens, oder ungefähr der jährliche Zuwachs der Produktivität. Ich gehe jede Wette ein, dass ein konsequenter Abbau unsinniger Bürokratie ein Vielfaches an Einsparungen bringen sollte. Nachdem sich nun das ganze Land zu freuen scheint, dass man Flüssiggasterminals in zehn Monaten statt in zehn Jahren errichten kann, wäre das ein guter Zeitpunkt, um letzteren ins Auge zu fassen. Aber auch hier gilt: Das sind alles keine guten Gründe, Aktien zu kaufen oder zu verkaufen. Der einzige langfristig sinnvolle Grund, ein Investment einzugehen, ist die ansprechende Bewertung einer Aktie. Und hier gibt es nach einem Jahr des Chaos und der Verwirrungen eine reichhaltige Auswahl über alle Branchen und Größenordnungen der Unternehmen hinweg, die man sich wünschen kann. Und somit gehen wir trotz aller Rezessionsängste von einem deutlich besseren Jahr 2023 aus.

Ihr Martin Wirth

Martin Wirth

Gründer und Vorstand

Erfahrung in deutschen Aktien: seit 1990

Aufgaben: Fondsmanagement, Aktienanalyse und Unternehmensführung

Fonds: Publikumsfonds FPM Funds Stockpicker Germany All Cap
Spezialmandat für ein Single-Family-Office

Auszeichnungen: zahlreiche für die von ihm verwalteten Fonds, mehrfach auch für seine persönlichen Leistungen – so zum Beispiel von der Sauren Fonds-Research AG und Citywire

Stationen:

  • Portfoliomanager der Credit Suisse (Deutschland) AG
  • Aktienanalyst bei der Bank Julius Bär (Deutschland) AG
  • Aktienanalyst der Credit Suisse First Boston

Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität zu Köln, Abschluss als Diplom-Kaufmann 

Raik Hoffmann, CFA

Vorstand

Erfahrung in deutschen Aktien: seit 1997

Aufgaben: Fondsmanagement, Aktienanalyse und Unternehmensführung

Fonds: Publikumsfonds FPM Funds Stockpicker Germany Small/Mid-Cap, FPM Funds Ladon

Auszeichnungen: mehrere für die von ihm verwalteten Fonds und auch für seine persönlichen Leistungen – so zum Beispiel von Citywire

Stationen:

  • 15 Jahre DWS Investment GmbH – im Management des DWS German Small/Mid Cap, als Mitglied im europäischen Small/Mid Cap-Team der DWS und des DWS Makro-Ökonomie-Teams und verantwortlich für Risiko-Szenarien

Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Leipzig, Abschluss als Diplom-Kaufmann